Gedanken für den Tag Die Überlebenskunst
Sa, 16.11. | 6:57-7:00 | Ö1
Resilienz ist zur Kernkompetenz unseres Lebensstils geworden. Darin steckt ein wenig der Wunsch nach Unverwundbarkeit, die Tugend alles, jede Krise unbeschadet zu überleben. Eigentlich ist es ein uraltes Konzept, verdichtet in der Annahme, dass alles, „was uns nicht umbringt, härter macht“. Im Trend der Resilienz steckt der Gedanke, dass die Seele, die Psyche mit dem richtigen Training, ein paar Techniken, mit Krisen und Schicksalsschlägen perfekt zurechtkommt. Nicht unbedingt härter wird, aber Belastungen abperlen wie von Teflon. Die Annahme, dass sich der Modus, „Hinfallen, wieder aufstehen und Krönchen richten“, erlernt werden kann, füllt Bände an Ratgeber-Literatur und eine ganze Seminar-Branche. In der Forschung wird versucht ein „Überlebens-Gen“ zu identifizieren. Was wir wissen, ist, dass die starken ersten Beziehungen eines Menschen, ihn oder sie wappnen können.Angesichts der Poly-Krisen der Gegenwart ist die Resilienz einer harten Probe ausgesetzt: Teuerung, Innovations-Druck durch Künstliche Intelligenz, die noch immer spürbaren Folgen der Pandemie und die schon sehr greifbaren der Klimakrise, die auf uns zukommt. Selbstoptimierung bis zur Erschöpfung als Gegenstrategie stößt an ihre Grenzen. Wer nicht alles aushält, kriegt es mit der Angst zu tun. Die Kritik an einer grassierenden Resilienz-Obsession wird lauter, rückt die Fragen in den Raum: Müssen wir alles aushalten? Sind jene, die ausgelaugt vom täglichen Kampf, sich immer besser zu wappnen, gescheitert? Brauchen wir Mut zur Nicht-Resilienz, um zu einer menschlicheren Welt zurückzufinden?Fragen, denen die Journalistin und angehende Psychotherapeutin Petra Ramsauer in ihren „Gedanken für den Tag“ nachgehen will. Sie war mehr als zwei Jahrzehnte als Krisen- und Kriegsberichterstatterin tätig, hat die Resilienz in Extremsituationen viele Male erlebt. In ihrem 2020 erschienenen Buch „Angst“ (K&S) hat sie ihren Umgang mit der ständigen Lebensgefahr ihres Berufs analysiert, im Oktober ist ihr neuestes Buch, „Nahost verstehen“ (edition-a) erschienen, in dem sie auch die psychischen Belastungen der Betroffenen des Konfliktes analysiert.
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