Du holde Kunst Zwischen Varieté und Gebet
So, 08.06. | 8:15-9:00 | Ö1
Ihre Gedichte sprechen im einfachen Volkston über die Abgründe und Hoffnungen eines wilden Frauenlebens inmitten der katastrophalen ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Mit Emmy Hennings „klingt eine müde, mädchenhafte Stimme auf, die der experimentellen Wortkunst der männlichen Kollegen mit schlichter Direktheit entgegentritt und ihnen an verarbeiteter Lebenserfahrung um einiges voraus zu sein scheint“ (Nicola Behrmann).Emmy Hennings, geboren 1885 in Flensburg, verlässt als Teenager ihr Elternhaus, zieht mit einem Wandertheater durch Norddeutschland, arbeitet beim Zirkus und im Varieté. Um 1910 singt sie in der Schwabinger Künstlerkneipe „Simplicissimus“ die Bänkellieder von Erich Mühsam, Julius Bierbaum und Frank Wedekind, ab 1915 trägt sie als Mittelpunkt des Zürcher Cabaret Voltaire ihre eigenen Gedichte vor, in denen sich ihre Erfahrungen mit Hunger, Zwangsprostitution, Drogensucht und Gefängnis widerspiegeln. „… sie war im Stande jener ‚zweiten Unschuld‘, die nur der ganz reife Mensch erwirbt, der viel gelitten hat …“ (Lina Staab).Hennings ist mit Georg Heym, Else Lasker-Schüler und Johannes Becher befreundet, pflegt einen jahrelangen Briefverkehr mit Hermann und Ninon Hesse, gründet mit ihrem Gefährten Hugo Ball die Dada-Bewegung mit und wendet sich schließlich dem Katholizismus zu. Mit ihrem Bohème-Leben löst sie die expressionistische Forderung nach Versöhnung von Kunst und Leben ein und wird dafür prompt von einem Teil der Literaturkritik zur Muse degradiert.Zu den Gedichten von Emmy Hennings ist Musik von Johannes Brahms, Germaine Tailleferre, Frédéric Chopin, Robert Schumann, Gabriel Fauré, Erik Satie und Edvard Grieg zu hören.
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