Weltspiegel Auslandskorrespondenten berichten
So, 02.02. | 18:30-19:15 | Das Erste
Die starken Frauen von Syrien
Zwei Schwestern in der Provinz Idlib, der Provinz in der die jetzt Mächtigen schon in den vergangenen Jahren das Sagen hatte. Sie tragen Kopftuch, die eine ist Krankenschwester, die andere kümmert sich um die Ausbildung von Frauen. Sie sagen: "Wir haben für diese Revolution gekämpft, jetzt werden wir uns von den neuen Machthabern unsere Freiheiten nicht nehmen lassen." Autorin: Ute Brucker
Dscharmena: Selbstverwaltung eines Stadtteils
Plötzlich waren auch die meisten städtischen Arbeiter und Beamten weg. Der von der Volkgruppe der Drusen dominierte Stadtteil Damaskus hatte keine funktionierende Müllabfuhr mehr und auch niemanden, der sich dafür verantwortlich fühlte, seit dem das Regime Assads gefallen war. Da sprang das Stadtteil-Komitee mit 19 Experten ein. Seit zwei Monaten kümmern sie sich um die Geschicke der Nachbarschaft. Müllabfuhr, die staatliche Bäckerei, die subventioniertes Brot backt, sogar einen Sicherheitsdienst haben sie aufgebaut. Mit Billigung der neuen Machthaber, denn die haben gar nicht die Kapazitäten, sich um allen zu kümmern. Autor: Ulli Neuhoff
Daraya: Der Besucher aus Deutschland
"Es ist eine krasse Freude, die man nicht beschreiben kann" – im ersten Moment ist Ahmad Amber überwältigt. Mehr als zwölf Jahre ist der 34jährige nicht in zuhause in Syrien gewesen. 2012 musste er vor Krieg und Verfolgung durch das Assadregime fliehen. Aber vor Ort, in den Trümmern seines Elternhauses, mischen sich Freude und Leid. Der Lehrer ist seit 2014 in Deutschland und inzwischen eingebürgert, verheiratet – und verbeamtet. Er kann sich derzeit nicht vorstellen, wieder dauerhaft nach Syrien zu gehen. Angesichts der prekären Lage vielerorts im Land ärgert er sich über die deutsche Politik, die Geflüchtete zurückzwingen will. Autorin: Kristin Becker
Saidnaja: Schwierige Aufarbeitung der Folterverbrechen
Mohammed Abdallah kehrt auf Krücken zurück an den Ort, an dem er gefoltert wurde: Saidnaja. In Assads berüchtigtem Gefängnis war er vier Jahre lang brutalsten Verhörmethoden ausgesetzt – so wie auch seine beiden Brüder. Ihre Eltern hatten versucht, ihre Söhne freizukaufen – vergebens. Khalid – der jüngere – hat es nicht überlebt. Wie und warum er starb, wissen die Abdallahs bis heute nicht. Daher fordern Mohammed und seine Familie Gerechtigkeit und die Aufarbeitung der jahrzehntelangen Verbrechen der Assad-Diktatur. Ihre Wut schlägt oft in Hass um. Der Wunsch nach Rache ist allgegenwärtig im neuen Syrien. Autor: Matthias Ebert
Die Angst der Alawiten vor Verfolgung
Viele Angehörige der Volkgruppe der Alawiten haben sich in die Küstenregion zurückgezogen, voller Angst vor Repressalien durch die neuen Herrscher. Denn Ex-Präsident Assad ist Alawit. Unter ihm bekamen viele Alawiten einst hohe Posten im Militär. Nun fürchten sie Racheakte durch die HTS-Miliz. "Seit 40 Tagen habe ich keinen Kontakt mehr zu meinem Sohn. Sie haben ihn verschleppt“, erzählt uns Mohammed. Hier, nahe des Heimatdorfes der Assads, ist die Freude über den Machtwechsel im Land gedämpft. Gleichzeitig versuchen viele Alawiten – eine Glaubensgemeinschaft, die als Abspaltung des schiitischen Islams gilt – das Vorurteil auszuräumen, alle Alawiten seien pro-Assad gewesen. Autor: Ramin Sina
Rojavas: Ungewisse Zukunft der Kurden
Zehn Jahre nach dem Sieg über den IS ist die kurdische Kleinstadt Kobane wieder in Gefahr. Den Menschen bleibt kaum Zeit, das Jubiläum zu feiern. Auf dem Friedhof heben sie schon wieder neue Gräber aus. Denn für die Kurden ist der Krieg in Syrien nicht vorbei: Am Himmel über Kobane und über umliegende Dörfer kreisen täglich türkische Drohnen. Fast jeden Tag gibt es Meldungen von Bombardements und Angriffen auf Dörfer- und Kleinstädte in der kurdischen autonomen Selbstverwaltung. Protürkische Milizen der SNA (Syrische Nationale Armee) versuchen vom Westen aus vorzurücken. Gleichzeitig fliegt die Türkei Angriffe auf zivile Infrastruktur wie den Tishrin-Staudamm, wo derzeit die wichtigste Front verläuft.
Moderation: Ute Brucker
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