Die Medienvertreter haben beim Setbesuch im Mai 2012 verabsäumt, innerhalb von fünf Sekunden eine Frage zu stellen ...
Klaus Maria Brandauer."Sie erwarten neue Antworten. Man versucht Interviews so gut wie möglich zu gestalten. Das geht aber nur, wenn Fragen noch nie gestellt wurden. Sonst tuen wir uns alle schwer. Wir sind froh, wenn über unser Projekt gesprochen wird, wenn es angkündigt wird."
TVButler: Martina Gedeck, Ihre Filmpartnerin, hat gesagt, dass nicht chronologisch gedreht wird. Ist es schwierig zwischen den Geisteszuständen zu switchen?
Brandauer."Ich glaube, ich muss DA sein. DA muss ich sein. Ich muss DA sein. Es ist nicht so schwierig wie man das glaubt. Wir leben merkwürdig. Mit Theater und Bahnhofsgespräche. Wir leben nach unseren Möglichkeiten, Begabungen, Bildung, wenn wir welche haben. Wir hören die Nachrichten, wo Krieg ist, wer welche Wahl gewonnen hat, die Schrecklichkeiten, die Todesnachrichten. Und zu all dem stehen wir mit unserem Stück in Konkurrenz. Mit dem ganzen Panoptikum dieser Welt, und dann kommt die 'Auslöschung'. Ich frage mich, wie finden die uns? Dadurch, dass wir ein Thema haben, neben Klimaschutz, Schönheitswettbewerben und der Frage, wie geht's weiter? Und doch, so ein Thema haben wir in der Hand und hoffen, dass die Leute ein Ohr dafür haben."
In der "Auslöschung" leiden Sie unter Alzheimer …
Brandauer."Diese Art der Krankheit ist ja atemberaubend. Furchtbar, weil sie sich so lange hinzieht. Ich möchte allerdings nicht über die Krankheit sprechen, über die Details, weil auch Ärzte nicht genau wissen. was im Endstadium passieren wird. Sondern ich möchte über die Liebesgeschichte sprechen. Es ist eine Liebesgeschichte, keine Frage. Und es ist eine Auslöschung, bei der man nicht weiß, ob einer ausgelöscht wird oder beide. Aber auf jeden Fall eine Liebesgeschichte. Ich bin dafür und meine das keinesfalls pathetisch: 'Ich bin für die Liebe.'"
Was bedeutet Liebe?
Brandauer."Lieben heißt für jemand anderen auf der Welt zu sein. Denn was wir allgemein unter Liebe verstehen, ist in den meisten Fällen ein Deal. Denn anderen so zu nehmen, wie er ist, wegen seiner Fehler zu wollen, begreifen und auskommen wollen, und der dann noch krank wird, todkrank und das über viele Jahre ..."
Alzheimer?
Brandauer."Da habe ich ein paar gute Bekannte, nein, zwei, also ein Paar, großgeschrieben, mit großem P, die haben das. Das wollen wir uns nicht wünschen. Und das zu begleiten, ich lege meine Hand nicht ins Feuer, dass ich dies könnte. Aber ich würde gerne haben wollen, für einen Menschen, den ich liebe, die Kraft aufzubringen. Honiglecken ist das für beide Teile nicht. Die Wünsche fürs Leben bleiben ja da, die gehen nicht weg. Alles bleibt wie immer, das Einzige ist, sie stehen nicht drüber."
Sie gelten als Meister der Textlängen, wie erarbeiten Sie Rollen?
Brandauer."Mein Sohn hat einmal gesagt:'Ich habe nie bemerkt, Papa lernt Text.' Das war ein großes Glück. Ich habe Sachen gelesen, drei-, viermal und dann hab' ich gesagt:'Ich kann das jetzt.' Ich bin ein sehr, sehr genauer Textarbeiter, weil ich das Gefühl habe, dass wir am Theater einen Sprechtanz machen. Einzige Voraussetzung: das muss man können, das muss man lernen. Es ist mir leicht gefallen. Seit einiger Zeit aber fällt mir das nicht mehr sehr leicht. Früher hab' ich mir gedacht, wenn's soweit kommt, hör ich auf. Ich mach es dann nur für die Freunde."