WALTER KÖHLER, CEO UND GRÜNDER TERRA MATER FACTUAL STUDIOS IM INTERVIEW MIT TVBUTLER, WERNER RASS – OKTOBER 2019
Bild: Terra Mater Factual Studios / Julia Stix
Terra Mater oder Terra Pater
Der CEO und Gründer der Terra Mater Factual Studios ist mit einer seiner Produktionen „Sea of Shadows“ maximal erfolgreich. TVButler bat den Filmemacher zum Gespräch, und Walter Köhler gibt Einblicke in seine Bildwelten, die er dem TV-Publikum mit so beeindruckenden Fantasien auf den Screen bringt.
Ein Gespräch über Natur, Philosophie, Religion, Greta Thunberg, noch vor Corona, Charles Darwin, der Frage, warum das Leben besteht, und nur der Mensch untergeht.
Mit der mehrfach ausgezeichneten Feature Doc „Sea of Shadows“ hat das Terra Mater Produktionshaus zwar den Oscar nicht gewinnen können. Trotz klingender Namen wie Leonardo DiCaprio als Executive Producer und Jane Goodall als Unterstützerin. Ausgestrahlt bei prestigeträch. Nominierungen gab es zu Hauf.
Preise über Preise …? Wer bei 200 Programmstunden in den letzten neun Jahren 250 Preise eingeheimst hat, der träumt von etwas ganz Besonderem. „Sea Of Shadows“ etwa, die Kino-Produktion läuft ab 9. November 2019 auf National Geographic in 172 Ländern und 42 Sprachen.
In „Sea of Shadows“ geht es darum, dass der kleinste Wal der Welt, der Vaquita, vom Aussterben bedroht ist – und warum es soweit kommen kann. Ein unheilvolles Zusammenspiel zwischen der chinesischen Mafia und den mexikanischen Drogenkartellen führt dazu, dass in der mexikanischen Sea of Cortez der Totoaba illegal gefischt wird. Dieser Totoaba wird nur für seine Schwimmblase gefangen, denn diese soll – und natürlich wurde das nie wissenschaftlich erwiesen – wundersame Heilkräfte besitzen. Einer kleinen, aber hohen Schicht in China ist dies bis zu hundert Tausend Dollar wert. Der Rest des Totoabas wird meist gleich wieder ins Meer gekippt …
Der Vaquita ist tragischer Beifang. Dieser kleine Schweinswal bleibt im Netz der Fischer hängen und erstickt erbärmlich.
Das ist alles reine Habsucht, reine Gier. Und sonst gar nichts. Wenn wir es schaffen, das abzustellen, ginge es der Welt schon viel besser.“
Terra Mater Dokus sind seit 2011 Fixpunkt im Programm von ServusTV. Sie sind mit „Terra Mater“ ein Leuchtturm von ServusTV geworden. Seit letztem Jahr produzieren sie auch einzelne Folgen „Bergwelten“, „Heimatleuchten“ und andere ServusTV-Sendungen. Wie kam es dazu?
„Ich habe einmal eine große Marke aufgebaut, das war ,UNIVERSUM’. Als wir im Jänner 2011 ,Terra Mater Factual Studios’ gründeten, haben wir gesagt: Das schaffen wir nochmal. Wir wollten eine Marke für Blue-chip Naturdokus, international produziert, mit den besten Kameramännern, Regisseuren und Autoren realisiert, aufbauen. Wir wollten uns am internationalen Fernsehmarkt positionieren und wir wollten uns national mit unserer Terra Mater-TV-Serie bei ServusTV und dem Terra Mater Magazin im Printbereich einen Namen machen. Alles haben wir geschafft. Heute, fast 10 Jahre später, sind wir einer der größten Produzenten von Naturfilmen in Europa, mit Sicherheit der größte in Österreich. Wir machen Naturfilme, Kinofilme, Factual Entertainment-Serien und Formate. Und vor Kurzem haben wir auch unseren YouTube und Instagram Channel gelauncht. Unter #terramatters gibt es exklusive Videos zu aktuellen Themen des Umwelt- und Naturschutzes genauso wie zeitlose Geschichten über die Schönheit unseres Planeten. Schauen Sie selbst unter terramater.at/youtube oder auf Instagram @terramater.
Wie sind Sie zum Naturfilm gekommen? Beruf? Berufung?
„Das erste Schlüsselerlebnis ist wohl, dass ich, als ich sechs Jahre alt war, Zoologe werden wollte. Mein Vater übertrug seine Begeisterung für Tiere erfolgreich auf mich. Das zweite einflussreiche Erlebnis war meine Zeit in der katholischen Schule in Strebersdorf. Dort hatte ich einen – sagen wir einmal: was Toleranz und Menschenachtung betrifft wenig vorbildlichen - Herrn als Deutschlehrer. Ich gründete eine Schülerzeitung, die er sofort verbot. Und ich dachte mir: Okay, ich mache die Zeitung trotzdem und verkaufe sie zum doppelten Preis vor der Schule. Das war mein Einstieg in den Journalismus und in die Medienwelt.“
Das Jackson Hole Wildlife Film Festival kommt 2020 an den Neusiedler See. Was haben Sie damit zu tun?
„Jackson Wild ist das größte und renommierteste Naturfilmfestival der Welt. Ich habe seit mehreren Jahren die Ehre, im Executive Board des Festivals einen Platz einnehmen zu dürfen. Das Festival hat eine klare Mission: Nature, Media, Impact. Und wenn man sich dem Thema Schutz der Tiere, Schutz der Natur, Schutz des Planeten widmet, dann sind 2 Jahre Abstand zwischen den Veranstaltungen leider mittlerweile einfach zu viel Zeit. Die Ereignisse auf unserer Welt überschlagen sich, die Folgen des Klimawandel und notwendigen Gegenmaßnahmen erlauben keine Wartezeiten. Also entschieden wir, dass das Festival von nun an jedes Jahr stattfinden soll. Und ich freue mich, dass ich (mit-)überzeugen konnte, dass der Nationalpark Neusiedler See-Seewinkel ein würdiger Austragungsort ist. 2020 findet der Jackson Wild Summit von 28. September bis 2. Oktober in der UNESCO Welterbe Region Nationalpark Neusiedler See-Seewinkel statt.“
Gibt es nach allem, was Sie bereits durch die Kamera gesehen haben, ein Tier, das Sie ganz besonders fasziniert? Sie schwärmen vom Puma?
„Er ist extrem scheu. Wenn der Puma nicht will, dass man ihn sieht, dann geht das eben nicht. Wir haben die Möglichkeit gehabt, durch langes Ansitzen und durch Expertisen in Patagonien zu drehen. Ich hätte mir nicht gedacht, dass dies möglich ist.“
Es gibt einen neuen Trend in der Naturfilmerei – Conservation Film?
Ich habe mich lange an die Aussage von David Attenborough gehalten, der gesagt hat, dass man die Menschen nur für die Natur und deren Schutz begeistern kann, wenn man zeigt, wie schön sie ist, und dass es sie noch gibt. Je älter ich werde, desto mehr wird mir bewusst, dass diese Aussage nur bis zu einem bestimmten Grad stimmt. Bietet man nur Filme zum Zurücklehnen an, macht man sich mitschuldig an der Vermittlung, dass es gar nicht so schlimm steht um unseren Planeten. Meine Zielsetzung ist es, Produktionen abzuliefern, die handwerklich 1A und packend gestaltet sind, die aber auch auf Thematiken aufmerksam machen, die vielen Menschen nicht bekannt sind. Unsere Feature Docs wie „The Ivory Game“ oder „Sea of Shadows“ sollen zu einer positiven Veränderung unserer Welt beitragen.
Stichwort Feature Docs. Nach dem vielfach ausgezeichneten „The Ivory Game“ über illegalen Elfenbeinhandel, „Sea of Shadows“ über die illegalen Machenschaften im Golf von Kalifornien, feierte ihr drittes Projekt „Watson“ in New York beim TriBeCa-Festival Premiere und wurde kürzlich an Animal Planet verkauft. Was fasziniert Sie an dem Ex-„Green Peace“-Widerständler Paul Watson?
„Watson hat gegen russische Walfangflotten angekämpft und wurde selbst das Ziel ihrer Waffen. Ich habe in meinem Leben niemand kennengerlernt, der so unbestechlich ist wie er. Ein Zitat von Watson: ,Walöl wurde damals hauptsächlich für die Produktion von Interkontinental-Raketen verwendet. Wir töten ein extrem soziales Tier, um uns selbst zu vernichten. Wir sind verrückt.'“
Derzeit ein großes Thema: Greta (Thunberg) aus Skandinavien, wie stehen Sie zu dem Engagement der jungen Umweltaktivisten? Ist das wünschenswert?
„Ich glaube sehr an sie. Wie so viele andere Menschen habe auch ich die Rede von Greta Thunberg vor der UN Generalversammlung gehört, und ich muss sagen: Mir sind die Tränen gekommen. Sie ist ein Symbol, und bringt sehr viele zum Handeln. Wenn man innerhalb eines Jahres Millionen Menschen auf die Straße bringt, finde ich das bewundernswert. Das ist schon eine Leistung. Das neue Verständnis, das Greta in uns allen geweckt hat: Tu etwas. Und warte nicht ohnmächtig vor der Schlange, bis sie dich beisst.“
Haben Sie ein Rezept für unsere Welt? Was braucht sie?
„Wir brauchen nicht nur Klimaschutz, wir brauchen Menschenschutz. Wenn wir uns nicht schützen vor denen, die genau das Gegenteil machen und zügellosen Kapitalismus Tür und Tor öffnen, dann lassen wir sie den Ast absägen, auf dem wir alle sitzen.“
Und wenn wir nichts dagegen unternehmen, wann ist Schluss mit uns? Woran krankt die Welt?
„Nur für die Menschen wird Schluss sein. Die Erde wird weiter bestehen. Statistiken sagen, dass wir immer schneller die Ressourcen der Erde ausbeuten. Jetzt war’s ca. Juni/Juli. Wer ist verantwortlich? Die Politik, die zu wenig bis nichts tut
Der Unterschied vom Menschen zu anderen Spezien liegt darin, dass wir selbst reflektieren können. Wie kann es sein, dass Österreich im Jahr 2017 die EU-Höchstwerte an Treibhausgasemissionen um 2,1 Millionen Tonnen überschreitet und nicht sofort Gegenmaßnahmen einleitet? Einen Tag in der Woche aufs Auto verzichten. Und einmal in der Woche aufs Fleisch, das man wie alle anderen Lebensmittel sowieso nur mehr aus regionaler Erzeugung kaufen soll. Das würde funktionieren. Ich wünsche mir, dass wir in Zukunft an einer weiteren Heilung der Welt arbeiten können.
Und auf Ihre Frage, woran krankt sie? Wir sind zu viele. Von vier auf acht Milliarden Menschen, und laut UN bis 2100 auf über 10 Milliarden. Wir müssen das in den Griff bekommen, sonst hört sich eh alles auf.“
Der letzte Slogan mündet in einen Lieblingswitz Köhlers über zwei Planeten …
„Ich erzähle gerne einen Witz – leider ist er wahr: Treffen sich zwei Planeten, sagt der eine zum andern: Wie geht es dir? Sagt der andere: Nicht so gut, ich habe Menschen. Darauf der erste: Keine Sorge, das geht bald vorbei.“
Umweltschutz ist ja auch bei Ihren Produktionen ein Thema. Stichwort Green Producing.
Es gibt in unserer Firma das klare Commitment zu Nachhaltigkeit. Das beginnt bei uns im Office mit der Wahl des umweltbewusstesten Stromanbieters, der Reduktion des Papierverbrauchs auf das absolute Minimum, der umweltbewussten Rückführung von Wärme aus unserem Serverraum, biologisch abbaubaren Putzmitteln und so weiter. Was in unserer Branche zu reduzieren, aber einfach nicht zu vermeiden ist, sind Dienstreisen. Hier erarbeiten wir gerade eine interne Guidline für CO2-neutrale Flüge, Bahn- oder Autofahrten, klimafreundliche Hotels und mehr. Unser Ziel ist es, Naturschutzprojekte zu unterstützen und zum Beispiel in die Aufforstung des Regenwaldes oder heimischer Wälder zu investieren.
Wer ist für die Probleme ihrer Meinung nach verantwortlich?
„Das Problem liegt an der Industrialisierung von Allem. Ich habe unlängst mit einer Bäuerin geredet, und die kämpft dagegen. Es kommt immer darauf an, wie du es machst. Krank ist es, wenn der Amazonas abbrennt für Soja-Anbau, damit man die Rinder in den letzten zwei Wochen ihres Lebens mit Soja anfüttert, das sie schön dick macht, weil sie es nicht verdauen können und so höhere Gewinne erzielen. Bei uns fressen Kühe Gras. Gras gibt es mehr, wenn es regnet, und weniger, wenn es nicht regnet. Auf der Alm wird nie bewässert. Die Kühe fressen, was die Natur hergibt.“
Und woher bekommen wir das Gemüse?
Leider viel aus Spanien! Dort wird extrem bewässert. Österreich geht es hier gut. Unsere Landwirtschaft ist zu 95 % biologisch. Das hat den Grund, dass ein vifer Mensch einst gesagt hat, was können wir machen? Wir können nicht mit den Holländern oder Amerikanern mit.
Die Erkenntnis organisch zu produzieren, hat aber eher mit kapitalistischen Nutzungsideen zu tun gehabt, als mit der Einsicht: Jetzt ist’s besser! – Dennoch ist es prinzipiell eine Kreislaufwirtschaft aber keine darwinistische Idee.
Letzte Frage zum Überleben? Die erfolgreichste Spezies der Natur?
Ameisen.