OKTO-Chef Christian Jungwirth im Talk

OKTO-Chef Christian Jungwirth steht dem Verein Offener Fernsehkanäle Wiens als Geschäftsführer vor. Worauf er bauen kann und was ihm nicht ins Programm passt, lesen Sie hier im folgenden Interview.

Wien, 14. Goldschlaggasse. Zu Gast bei OKTO. Dem Alternativ-Sender der österreichischen TV-Landschaft. Die Mitarbeiter, alle scheinen zufrieden zu sein. Ebenfalls der Chef: Christian Jungwirth.

Auch wenn seine aufgehängten Bilder im Büro irgendwie nach Fernweh wirken, baut er auf regionales Fernsehen. Überschaubare Räumlichkeiten, überschaubare Community. Und für die ca. 450 „Familien-Mitglieder" ist OKTO ein beliebter Ort der Begegnung.

Erste Frage Jungwirths an mich: Was hat mein Kollege (Chefredakteur Michael Kofler, Anm., kommt demnächst in dieser Reihe) von W24, gleich ums Eck, gesagt?

Naja, jeder hat so seinen Blick und seine Interessen. Aber kommen wir gleich zur Sache: Warum ist das Fernsehen eigentlich noch nicht tot?

Leider muss ich hier gleich korrigieren, weil es hängt sehr stark ab, wie man Fernsehen definiert. Fernsehen hat ganz neue Definitionen und Darstellungsformen gegenüber vor 20 oder 30 Jahren. Wenn man Fernsehen so definiert, wie es in den 80er Jahren war, so wird es sicher ein Ablaufdatum haben. Deshalb glaube ich auch, dass es in den derzeitigen Debatten viele Missverständnisse gibt.

Lineare Fernsehen, Fernsehen on demand, Media-Theken, TV-Theken, wo ordnet sich hier OKTO ein?

Wir müssen uns auch hier den veränderten Sehgewohnheiten anpassen. Die Jungen haben ganz andere Erwartungen wie ihre Eltern oder gar Großeltern. Die Gesellschaft ist im Wandel.

Konsumation über den klassischen Bildschirm, über Tablets, mobile etc. Was spielen Sie hier besonders an?

Lineares Programm um gewisse neue Entwicklungen abzubilden. Technische Reichweite, regional, wo es interessant erscheint. Aber auch durchaus neue Felder. Zentrales Element war das Jahr 2011: Die gestartete Oktothek, wo wir durchaus den Vorteil zum ORF sehen, da wir hier keine zeitliche Beschränkung der Ausstrahlung haben. Es ist ein offenes Archiv – ein public archive, wenn Sie so wollen.
Weiters blicken wir auch hier technologisch in die Zukunft und werden hier eine weitere ganz neue Asos-App launchen. Um on-demand ein wesentliches größeres Angebot zu stellen.

Schlagwort: Content ist king. Geistert jetzt auch schon seit Jahrzehnten herum. Wie schaut es bei OKTO aus?

Der Zukauf spielt bei uns eine kleine Rolle. Wir sind überwiegend öffentlich finanziert. Der Auftrag für uns ist es, ein Maximum an partikulativen Programm zu liefern. Autonomie und gesellschaftliches Abbild steht ganz oben. Ich würde sagen, es geht hier um einen Prozentsatz von 80 zu 20. Wobei 20 der Zukauf wäre.

CommunityTV, besondere Förderung von der RTR. Internationale Austauschschienen mit Partner-Sender in Hamburg und Berlin. Den Benefit der ehrenamtlichen Angebotsschiene.

OKTO-Chef Christian Jungwirth

Wer sieht sich eigentlich OKTO an?

Der durchschnittliche OKTO-Seher? Wie würden Sie ihn sehen.

Das ist wahnsinnig kompliziert bis schwierig das auf eine bestimmte Person zuzunageln. Wir haben eine Vielfalt im Publikum. Viele haben sich schon enttäuscht abgewandt von dem Mainstream-Angebot. Wir stellen fest, dass es ein zunehmendes Angebot in der Bevölkerung gibt, das nach alternativen Angeboten im Fernsehen sucht. Schwierig den demographischen Seher der Gesellschaft zu finden. Das Spektrum reicht vom Hochgebildeten bis hin zum migrantischem Hintergrund, die sich auch nicht mehr mit dem Mainstream-Programm identifizieren können.

Gebe es OKTO nicht, wären diese Bevölkerungsgruppen nach wie vor nur in der Lage ihre Programme aus ihren Herkunftsländer zu beziehen. Da sind wir exklusive Anbieter.

Haben sie so etwas wie Konkurrenten?

Konkurrent in der Grunddefinition, wir suchen nicht die wirtschaftliche Konkurrenz. Wir müssen uns nicht über Werbung verkaufen, wir haben eine Finanzierung gewährleistet, sehen uns aber dennoch in einer publizistischen Konkurrenz.

Uns geht es weniger darum, dass wir unsere Erfolge an eine werbliche Wirtschaft verkaufen sondern eher darum, dass wir unsere Inhalte verschärft an unser Zielpublikum ausbauen können.

Grundprinzip von OKTO hineingeschrieben: Wir haben einen Komplimentär-Auftrag, will heißen, wir suchen die Lücken. Die Frage: Was nehmen wir noch ins Programm hinein, was andere liegen lassen.

Wer sind die Eigentümer, was müssen Sie als Erfolgsnachweis bieten?
OKTO ist ein gemeinnütziger Verein zur Gründung und zum Betrieb Offener Fernsehkanäle Wiens.
Honorige Persönlichkeiten, der ehemalige Publizistik-Professor Thomas A. Bauer, Peter Huemer, Astrid Zimmermann, Robert Stachel (maschek) oder Armin Thrunher vom Falter.

Was müssen wir als Erfolgsnachweis bieten? Nun ja, feine Balancen, die Frage wie niedrigschwellig ist unser Programm und wie viel Qualität hält es aus. Da gibt es zentrale Qualitätskriterien. Im übrigen können wir auf mehr als 1000 Vermittlungen im Bereich Ausbildung von Mediakompetenz pro Jahr verweisen.

Wie viele Menschen sehen eigentlich OKTO?

Wie bewegen uns da in einem Segment von ca. 200.000 ZuseherInnen. Der Teletest weist uns pro Tag zwischen 10– und 20.000 Seher aus. Das ist einer der höchsten Wirkungsgrade, was das Budget betrifft.

Wie viele Mitarbeiter werden bei OKTO beschäftigt?

17–20 Personen sorgen für optimale Rahmenbedingungen fürs Programm. Vom briefmarkengroßen Bemühen um in den TV-Programmies vorzukommen bis hin zur Ausbildungs-Funktion. Zählt man die leidenschaftlichen "Programmmacher" dazu, so sind es wohl zwischen 400 bis 450 Leute.

Sehen Sie das Internet als Bedrohung oder Chance?

Das Internet wird früher oder später eine sehr zentrale Rolle spielen bei Inhalten, besonders, was das Bewegtbild betrifft. Jetzt ist es eher der Versuch den klassischen medialen Auftritt eines Fernsehsenders im internet weiterzuleben. Sagen wir es einmal so, Bewegtbildinhalte werden klassisch unter einer Fernsehmarke angeboten. Ich glaube, die neuen Consumer werden wir bei den Amazon-Funktionalitäten, wer das gesehen hat, wird auch gerne das sehen, nicht abholen müssen. Es geht in der Zukunft eher darum wie ich meine Inhalte leicht verständlich und auffindbar verbreiten kann

Da handelt es sich um eine technologische Herausforderung. Metadaten sind interessant. Qualitative Beschlagwortung. Hier versuchen wir jetzt schon daran zu arbeiten.

Was ist die große Herausforderung in der Zukunft. Gibt es eine Chance für Kleine, weil keine Kapitalfragen, eher schon Gehirnfragen notwendig sind?

Linear ist nicht tot. Viele schauen nach im nonlinearen Angebot und fragen sich dann schon auch, aha, wo kommt das her? Das bewirkt schon eine bidirektionale Internetwirkung.

Das Gespenst Netflix. Zum Fürchten oder gar zum Lachen?

Netflix steht an: für die einen ein Sommergespenst, für die anderen ein ernstzunehmender Konkurrent – für Sie?

Nein, kein Konkurrent. Wir sind sehr gewappnet. Im Gegenteil. Einige Sender sind sicher im Bereich ernsthafter Konkurrenz, wo es beinhart um Märkte geht. Wir haben den Luxus und das Privileg den gesellschaftlichen Weg beobachten zu können. Ob uns morgen zehn mehr oder weniger schauen ... dem sind wir nicht ausgesetzt. Aber noch eines zu Netflix: Warum soll ich eigentlich zuschauen, dass solche Anbieter mir meine Internetbrandbreite schmälern, damit sie massiv Kohle damit machen.

Bleiben wir beim Internet. Wird das zur ernsthaften Konkurrenz für ihr Medium oder ist es eher eine Begleiterscheinung?

Wir stehen hier noch wirklich ganz, ganz am Anfang. Quasi auf der Nulllinie, wo das Internet steht. Wir werden sehen, wohin die Reise führt.

Wie wird das Fernsehen in fünf Jahren aussehen. Trauen Sie sich da eine Einschätzung zu?

Es wird breitere Mediendienste geben. Da wir kein Schreib- oder Printjournalisten-Medium sind, werden wir versuchen, auf einer spielerischen Form neue Wege zu gehen.

Wer waren Ihre persönlichen ersten Helden im Fernsehen?

Bonanza, (lacht), Raumschiff Enterprise

Wie sind Sie zum Fernsehen gekommen?

Übers Radio. Plötzlich gab es neue Möglichkeiten der Gestaltung außerhalb des ORF. Denn dann kann Radio ja auch ganz anders sein.

 

Zur Person

 

Als einer der Pioniere des österreichischen Privatradiowesens war Christian Jungwirth bereits in den 1990er-Jahren an der Gründung von mehreren Freien Radios in Österreich, etwa bei Orange 94.0 in Wien beteiligt. Von 1998 bis 2001 war er Geschäftsführer des Verbands Freier Radios Österreich.

Nach Abstechern ins Wissenschaftsmanagement (FH St. Pölten) und Kulturmanagement (WUK) kehrte er als Vorstandsvorsitzender zu Orange 94.0 zurück. Seit Jänner 2005 ist Christian Jungwirth Geschäftsführer von OKTO und für die betriebliche Gesamtleitung des Senders verantwortlich.