Presseaussendung des ÖBSV und ÖGLB: Einseitiger ZiB-Beitrag über Barrierefreiheit verstößt gegen das Objektivitätsgebot, meinen ÖBSV und ÖGLB. Reines ORF-Selbstlob, fundierte Kritik der Behindertenorganisationen wurde nicht einmal erwähnt, so lautet die Kritik.
Aus einer einstündigen fundierten Kritik an der verbesserungswürdigen Barrierefreiheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wurden nur jene Passagen gesendet, in denen die Behindertenvertreter den ORF für bereits umgesetzte erste Schritte loben, die zahlreichen Kritikpunkte wurden nicht einmal am Rande erwähnt! "Zwar wurden wir von der Abteilung Humanitarian Broadcasting zu einer netten Plauderei eingeladen", erzählt ÖBSV-Präsident Höllerer, "ein konkreter schriftlicher Plan wurde uns bisher aber nicht vorgelegt". Dieser soll nun, so der ORF in einer gestrigen Aussendung, ohne Einsicht durch die betroffenen Organisationen beim Stiftungsrat liegen.
Diese Vorgangsweise stößt auf heftige Kritik von Behindertenanwalt Buchinger. "Der ORF hätte den für gehörlose und blinde Menschen repräsentativen Organisationen bis 31.12.2010 einen schriftlichen Plan zur Stellungnahme vorlegen müssen", interpretiert dieser die einschlägige Bestimmung im ORF-Gesetz. Nach der in Österreich geltenden UN-Behindertenrechtskonvention seien die Betroffenen in den Entscheidungsprozess einzubeziehen, nicht vor vollendete Tatsachen zu stellen. Zwar kann die Audiodeskription (Bildbeschreibung für blinde und sehbehinderte Menschen zwischen den Dialogen) nach ORF-Angaben von 119,5 Stunden im Jahr 2009 auf 430 Stunden im heurigen Jahr erhöht werden. "Diese mageren 2,4 Prozent, gemessen an der Gesamtstundenzahl des Fernsehens, sind im internationalen Vergleich jedoch immer noch viel zu wenig", ärgerte sich ÖBSV-Präsident Höllerer.
"BBC One bietet derzeit 15,7 Prozent, BBC Three gar 30,4 Prozent mit Audiodeskription an. Daran sollte sich der ORF ein Beispiel nehmen!" Die nächste Staffel von Dancing Stars mit Audiokommentar zu versehen sei zwar ein spannender Versuch. "Aber was ist mit den Sendungen im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Kernauftrages, mit Nachrichtensendungen wie der Zeit im Bild oder Formaten wie Report, Thema oder Weltjournal?", fragt sich Höllerer. "Oder den Universum-Dokumentationen? Von diesen bleiben blinde und sehbehinderte Menschen auch weiterhin ausgeschlossen!" Die regionalen Sendungen "Bundesland heute" werden trotz Beschwerden nach wie vor nicht untertitelt. Der ORF begründete dies mit der veralteten Teletext-Technologie aus den 80er-Jahren, die eine gleichzeitige Untertitelung aller Bundesländer-Sendungen nicht möglich mache. "Ich bin überzeugt, dass es mit der modernen digitalen Untertitelung (DVB subtitling) möglich ist, daher fordere ich den ORF auf, eine Machbarkeitsstudie zu erstellen", gibt sich Huber mit der Antwort von ORF nicht zufrieden.
"Der ÖGLB vertritt die Anliegen der Landesverbände und akzeptiert keinen Etappenplan, wo die Bundesländer-Sendungen ausgespart werden. Dies wurde bei der Unterredung mit der Abteilung Humanitarian Broadcasting auch deutlich gemacht." ÖBSV und ÖGLB bemängeln zudem, dass derzeit kein selbst behinderter Vertreter im ORF-Publikumsrat sitzt. Gemeinsam mit Höllerer hat ÖGLB-Generalsekretär Huber ein Schlichtungsverfahren gegen ihre Nichtbestellung durch Bundeskanzler Werner Faymann angestrengt, das vor kurzem ergebnislos beendet wurde. "Ich bin nach wie vor erschüttert über die Entscheidung von Bundeskanzler Faymann, die drei behinderten Kandidaten nicht zu berücksichtigen, die von der ÖAR als Kandidaten für den ORF-Publikumsrat nominiert worden sind." Die ÖAR, die Österreichische Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation, ist die repräsentative Dachorganisation der Behindertenverbände Österreichs.
Lediglich zu einer schwammigen Zusage ließ sich Medienstaatssekretär Dr. Josef Ostermayer hinreißen: Im Zuge der gegenwärtigen parlamentarischen Verhandlungen zur Novellierung des ORF-Gesetzes sei von den Parlamentsfraktionen in Aussicht genommen worden, gegen Ende des heurigen Jahres "politische Gespräche zu Fragen der Aufgabenstellung der Gremien des ORF zu führen. Im Rahmen der dabei stattfindenden Evaluierung hielte ich es für sehr sinnvoll, zu Regelungen der Gremienmitgliedschaft auch Vorschläge der an einer entsprechenden Vertretung interessierten Kreise einzubeziehen. Dementsprechend werde ich auch dafür eintreten, dass bei den beabsichtigten politischen Gesprächen allfällige Vorschläge Ihrer Organisation zu der Vertretung von behinderten Menschen im ORF-Publikumsrat entsprechende Beachtung finden".