Gedanken für den Tag David Weiss über den Blick in die Zukunft

Sa, 07.12.  |  6:57-7:00  |  Ö1
von David Weiss, Schriftsteller

Eine uralte Legende schlägt im Advent die Brücke in die Gegenwart und nach der Zukunft. Die ebenso kluge wie schöne Barbara lebt zum Ende des dritten Jahrhunderts als Tochter des reichen Dioscuros in Nikomedien, dem heutigen Izmir in der Türkei. Barbara liest, lernt und weist auch die reichsten und feschesten Burschen ab. Das macht den Papa froh. Er ist weniger begeistert, als er erkennt, seine Tochter ist längst in schlechte Gesellschaft und unter deren Einfluss geraten: Sie hat sich taufen lassen. Das Schicksal nimmt seinen Lauf, Barbara endet als christliche Märtyrerin, getötet vom eigenen Vater, als Opfer eines religiösen Ehrenmordes. Im Jahr 2024 gibt es in Österreich laut Medienberichten bis dato 27 Femizide und 39 Fälle schwerer Gewalt an Frauen. Das macht vielen Angst vor der Zukunft. Ein magischer Blick nach vorne soll helfen, die Furcht vor dem Unbekannten zu lindern. Dazu werden seit der Antike Orakel aller Art befragt. Die Verehrung Barbaras als Heilige ist seit dem achten Jahrhundert bekannt. Im Mittelalter wird Barbara so populär, dass sie in den Kreis der 14 Nothelfer aufgenommen wird. Zahlreiche Volksbräuche entstehen zu ihrer Verehrung. Der bekannteste ist das Schneiden der Barbarazweige. An ihrem Festtag am 4. Dezember werden Zweige von Obstbäumen in Vasen gestellt, die zum Weihnachtsfest blühen und Glück bringen sollen oder den Namen der künftigen Lebenspartner verraten. Kluger Optimismus ist nicht zu glauben, dass alles gut wird, sondern zu denken, dass nicht alles schiefgeht. Ich stelle mir darum die Zukunft nicht pechschwarz wie die Raunächte vor, sondern viel lieber als die aufblühende Knospe eines Barbarazweigs. Damit das gelingt, braucht es wenig, bloß ausreichend Wärme und frisches Wasser. Beides ist in Österreich zum Glück noch ausreichend vorhanden.

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