Sehen statt Hören Fernsehen in Gebärdensprache

Sa, 21.09.  |  8:50-9:20  |  BR
Untertitel/VT Gebärdensprache Stereo 
* Best of - Die Deutschen Kulturtage der Gehörlosen 1993 bis 2018
In diesen Tagen treffen sich in Friedrichshafen wieder viele Gehörlose zu den 7. Kulturtagen. Auf sechs Kulturtage kann die Community schon zurückblicken – und die Zeitreise erstreckt sich über drei Jahrzehnte. Anke Klingemann blickt zurück auf einige Höhepunkte und die Geschichte dieses besonderen Festivals.

Über 30 Jahre ist es her, dass sich in Hamburg erstmals die Gehörlosenszene zu Kulturtagen getroffen hat.

Jeder verbindet sicher ganz eigene Erinnerungen mit den Kulturtagen in Hamburg (1993), Dresden (1997), München (2001), Köln (2008), Erfurt (2012) oder Potsdam (2018).

Rückblickend kann festgestellt werden, dass Hamburg für die Gehörlosengemeinschaft historisch und kulturell immer ganz besonders bleiben wird: Hier wurde ein wichtiger Raum geschaffen, an dem sich Gehörlose treffen und sich ihrer eigenen Kultur, Identität und Sprache bewusst werden konnten. Heute würden man vielleicht sagen: In Hamburg wurde die Basis für ein Empowerment der Community geschaffen.

* Hamburg 1993 – Debüt mit großer Demo

Damals im Jahr 1993 hatten die Besucher ein ganz großes Anliegen: Es ging um den Kampf für die Anerkennung der Gebärdensprache – große Demo inklusive. Dieses Ereignis ist den Teilnehmenden im Gedächtnis geblieben, die Bilder lösen noch heute Gänsehaut aus.

Ulrich Hase, 1993 Präsident des Deutschen Gehörlosenbund e.V., hat damals formuliert, was der Community so sehr auf der Seele brannte: Die Gebärdensprache ist eine richtige Sprache, gleichberechtigt mit der Sprache der Hörenden. "Wir wünschen uns beide Sprachen: Gebärdensprache und Lautsprache. Die sind gleich wichtig und gleichberechtigt", schloss er seine flammende Rede. Und die hat ihre Wirkung nicht verfehlt. "Diese Demo war unglaublich und von Uli diese klaren Forderungen… wie Paukenschläge. Ich war hin und weg. Das hat sich so fest bei mir eingeprägt", sagt Prof. Christian Rathmann von Humboldt Universität Berlin noch heute.

Die Demo war der absolute der Höhepunkt der ersten Kulturtage. In Hamburg passierte aber auch etwas anderes. Heute würde man sagen: Hier wurde der Grundstein für ein Deaf Empowerment gelegt. Taube Personen bekamen einen Ort, an dem sie ihre Kultur zeigen und sich austauschen konnten.

Und noch etwas war neu: Zum ersten Mal wurde der Kulturpreis verliehen. Als besondere Auszeichnung und Wertschätzung für Menschen, die sich für die Gehörlosengemeinschaft engagieren.

* Dresden 1997 – Diskussion und politische Forderungen

Vier Jahre später, 1997, traf man sich dann zu den 2. Kulturtagen in Dresden. Uli Hase kämpfte als DGB-Präsident unermüdlich weiter für die Anerkennung der Gebärdensprache. Bei der Podiumsdiskussion „Setzt Politik Zeichen?“ fand er wieder klare Worte.

"Was ich mir wünsche, ist, dass die Politiker stärker auf Seiten von uns Betroffenen stehen. Wir sind die Menschen, um die es geht. Wir kennen unsere Probleme. Wir sind erwachsene Menschen, mündige Bürger. Und darum bitte ich Sie: Fragen Sie nicht mehr die Ärzte oder die Lehrer, was Gehörlose brauchen. Sie sehen hier erwachsene Menschen vor sich. Wir wissen genau, was unsere Erfahrungen sind. Wir haben unsere eigene Perspektive. Und das Problem ist, dass das immer zuletzt gesehen wird."

* München 2001 – erste Erfolge, interner Austausch

Ein paar Jahre dauerte es noch – aber zum 1. Juli 2001 wurde schließlich die Deutsche Gebärdensprache im Sozialgesetzbuch IX offiziell anerkannt. Ein wichtiger Schritt ist geschafft. Das Motto der Kulturtage Anfang September in München lautet daher passend: „Eine Kultur findet Anerkennung“.

Doch ist damit das politische Ziel der Gehörlosengemeinschaft schon erreicht? Auch hier findet Uli Hase die richtigen Worte: Die Kugel wäre ins Rollen gekommen. Doch noch stünden viele Veränderungen bevor. „Für mich ist es keine Frage, dass bis 2003 die Durchsetzung der Landesgleichstellungsgesetze erfolgt sein wird. In anderen Bereichen wir Fernsehen oder Schule müssen wir wohl noch länger um Verbesserung kämpfen. Aber sonst ist vieles schon erreicht.“

Bei den Kulturtagen 2001 in München konnte auch dementsprechend gefeiert werden. Zwei Wochen vor der offiziellen Eröffnung des Münchner Oktoberfestes feiern die Gehörlosen ihren eigenen bayerischen Festabend im Schottenhamel. Und hier ist nun eine neue Person an der Spitze des Deutschen Gehörlosenbundes

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