Gott ohne Haus? Wenn die Kirchen verschwinden

Fr, 18.04.  |  20:15-21:00  |  tagesschau24
Untertitel/VT Stereo  Kultur
Stilllegung, Umwidmung, Verkauf - oder gleich Abriss? Den großen Kirchen in Deutschland kommen immer öfter ihre Gotteshäuser abhanden. Den Gemeinden damit ein Stück Heimat. Der Frust ist groß. Die Sorge auch. "Kirchen sind die Zeigefinger Gottes. Wenn die verschwinden, verlieren wir unsere Identität", warnt der Arzt und Theologe Manfred Lütz.

Es war ein bitterer Tag für die Gemeindemitglieder von St. Norbert in Kaiserslautern. Vor ein paar Wochen sind die Abrissbagger angerückt und haben die kleine Kirche dem Erdboden gleich gemacht. Jahrzehntelang wurde hier die Messe gefeiert, wurden Kinder getauft und Ehen geschlossen. Doch am Ende kam zum Gottesdienst nur noch eine Handvoll Gläubige. Die Kirchenverwaltung rechnete genau nach: Die fällige Sanierung lohnte sich nicht mehr. Ein Abriss sei die beste Lösung.

Überall in Deutschland läuft das so. Weil den Kirchen nicht nur die Gläubigen, sondern auch die Priester:innen fehlen, werden vielerorts kleine Gemeinden zu größeren Seelsorgeeinheiten fusioniert. Doch in den anonymen XXL-Gemeinden gehen ein Stück Zusammenhalt und örtliche Identität verloren. Was macht man mit den überflüssig gewordenen Kirchen?

In der Erzdiözese Freiburg kümmert sich Linus Becherer um dieses Problem. Erzbischof Stephan Burger hat der Diözese angesichts massenhafter Kirchenaustritte und sinkender Kirchensteuereinnahmen eine radikale Schrumpfkur verordnet. Becherer soll herausfinden, wie viele der 5.400 Kirchenimmobilien verkauft werden können und diesen Prozess begleiten. Etwa in Mannheim, wo der Immobilienverwalter eine Gemeinde auf den Abriss ihrer Kirche mitsamt historischem Kirchturm vorbereitet. Becherer sieht in den Kirchenstillegungen auch eine Chance: In leerstehenden Kirchen könnte Wohnraum entstehen. Auf den Flächen abgerissener Kirchen wäre Platz für Altenheime oder Kitas. Aber was bedeutet es für ein Dorf oder einen Stadtteil, wenn die Kirche verschwindet? Der Theologe und Psychotherapeut Manfred Lütz mahnt: "Kirchtürme sind die Zeigefinger Gottes. Wenn die verschwinden, verschwindet unsere Identität".

"betrifft"-Autor Wolfgang Luck hat Gemeinden, die von der Schließung ihres Gotteshauses betroffen sind, über mehrere Monate begleitet. Er hat auch mit Gemeindemitgliedern gesprochen, die von ihrer Kirche tief enttäuscht sind. Nicht nur, weil "Gott sein Haus verliert", sitzt der Frust bei vielen tief. Missbrauchsskandale, fehlende Gleichberechtigung von Frauen sowie auch das Gefühl, als Kirchenbasis nicht mitreden zu können, machen vielen Gläubigen zu schaffen.

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