Eine App infiziert das Smartphone oder Tablet und beginnt, selbstständig zu agieren und reale Ereignisse zu beeinflussen. Ist das noch Fiktion oder schon Realität? Der niederländische Thriller "App", den das ZDF im Montagskino am 26. Mai 2014, 22.15 Uhr, in einer Free-TV-Premiere zeigt, macht auf intelligente Weise anschaulich, wozu eine App fähig ist.
Zusammen mit dem Second-Screen-Angebot haben die Zuschauer die Möglichkeit nachzuempfinden, wie es der Hauptdarstellerin des Films mit der App "Iris" ergeht. Zuvor auf Smartphone oder Tablet heruntergeladen und zu Beginn des Films aktiviert, beginnt die App nicht nur im Film, sondern auch in der Realität auf dem mobilen Endgerät des Zuschauers zu agieren.
Die App zum Film können Sie sich im Google Play Store (Android) ab 18. März und im Apple App Store (iOS) voraussichtlich ab 24. März auf Ihr mobiles Endgerät herunterladen.
Wie geht das?
Anna, die Heldin des Spielfilms "APP", bekommt eine Nachricht: Auf ihrem Handy ist das Bild eines Revolvers zu sehen. Zur selben Zeit erscheint dasselbe Bild auf den Handys und Tablets der Zuschauer, die den Film sehen. So weit, so gut.
Das funktioniert aber auch noch unabhängig von der Sendezeit oder wenn der Film auf DVD geschaut wird – wie geht das denn? Im Prinzip ist es ganz einfach: Die App hört über das eingebaute Mikrofon im Smartphone oder Tablet mit und entschlüsselt den Filmton im Hintergrund. Das heißt: Die App "weiß" immer ganz genau, welche Filmsequenz gerade läuft.
Damit das funktioniert, müssen Film und App aufeinander abgestimmt werden: Auf Filmseite werden die Tonspuren mit einem für das menschliche Ohr unhörbaren Wasserzeichen versehen. Die App wird entsprechend so programmiert, dass an bestimmten Stellen Inhalte auf dem mobilen Endgerät angezeigt werden. Wenn sich mehrere Zuschauer vor einem Fernseher mit ihren unterschiedlichsten Geräten den Film anschauen, wirkt es fast schon etwas unheimlich, wenn zeitgleich alle Bildschirme anspringen und dasselbe Bild zeigen.
Um alle weiteren Unwägbarkeiten auszuschließen, die zu Verzögerungen bei der Darstellung führen könnten – wie zum Beispiel langsames Internet oder Server-Überlastung – befinden sich alle Inhalte in der App lokal auf jedem Endgerät. Das bedeutet zwar, dass die App an sich sehr groß ist – für die Apple-Variante sind es beispielsweise rund 78 MB – und entsprechend mehr Speicher im Gerät einnimmt, letztlich können die Inhalte so immer verlässlich und in einer guten Qualität angezeigt werden.
Befürchtungen, dass mit dem Aktivieren des Mikrofons für diese App nun sämtliche Gespräche im Wohnzimmer auf irgendwelchen fremden Servern landen, muss jedoch niemand haben: "APP" funktioniert auch im "Flugmodus", also ohne jegliche Internetverbindung.
Die von der Firma Service2Media unter hohem Aufwand entwickelte App ist ein vielversprechender Ansatz, den Second Screen ohne großes Zutun der Zuschauer mit dem Fernsehsignal zu koppeln, um passgenaue Inhalte zum Programm anbieten zu können. Dieses Verfahren ist unter den derzeit in Entwicklung befindlichen Möglichkeiten der Synchronisierung, die wir selbstverständlich ebenfalls für einen Einsatz prüfen, das aus Zuschauersicht eleganteste.
Andererseits: App und Film über das Tonsignal abzugleichen, ist aktuell sehr arbeitsintensiv – zu umfangreich, um dauerhaft und ständig TV-Sendungen damit zu bespielen. In diesem speziellen Fall standen wir über Wochen in intensivem Austausch mit den Entwicklern der im Rahmen der Kinoproduktion in London und den Niederlanden entstandenen App, um die deutsche Sprachfassung zu perfektionieren.
Ein Live-Signal wie eine Nachrichtensendung ließe sich so noch nicht bestücken. Daher wird es sicherlich noch eine ganze Weile dauern, bis eine wirklich smarte Koppelung von Fernseher und Smartphone flächendeckend zum Einsatz kommt. Punktuell, vor allem bei erfolgversprechenden seriellen Formaten, die sich dramaturgisch auf einen Second Screen abstimmen lassen, kann sich diese Arbeit aber durchaus lohnen. Es gibt also gute Gründe, die Technik im Auge zu behalten.
Frank Baloch
Verantwortlicher Redakteur, Hauptredaktion Neue Medien